Hallo zusammen,
ich möchte hier mal ein kleines Tutorial posten, in welchem ein originales, schrottreifes BMW ti/tii Lederlenkrad aufgearbeitet und in einen Neuzustand oder "besser als Neu" versetzt wird. Da ich kein Freund von "Patina" bin, für mich ist nur makelloser Neuzustand von Interesse, arbeite ich hier ein Lederlenkrad auf, das sich bestimmt keiner mehr ins Fahrzeug schraubt. Ich kann also alle Fans von "Patina" beruhigen, es wird nichts Erhaltenswertes unwiederbringlich zerstört, nur etwas "Zerstörtes" in den Neuzustand zurückversetzt.
So nun mal ein paar Bildchen vom schrottreifen "Originalzustand" des Lenkrades, verrostet, oxydiert, schimmelig, zerkratzt und leider auch nicht mehr komplett. Auf den ersten Blick, ... sieht es ganz brauchbar aus...
die krassen Schäden der Alterung offenbaren sich erst, wenn man es umdreht ...
... und DAS will bestimmt keiner mehr anfassen! Generationen von 02-Tretern haben hier ihren Angstschweiß und Fingergrint hinterlassen, aufgesogen vom Nappaleder und ist jetzt ein idealer Nährboden für Mikroorganismen und Schimmelpilze!
Also gehen wir die Restauration an, ... zuerst müssen ein paar Ausschusskriterien erfüllt werden. Das Lenkrad ist auf Unfallschäden zu prüfen. Es dürfen KEINE Brüche, Risse und Deformationen an den Stahlspeichen, dem Lenkradkranz und vor allem an der Alunabe vorhanden sein. Bei der Nabe ist zusätzlich auf völlige Unversehrtheit der Spindelverzahnung zu achten. All das kann man nicht reparieren ....
Nun wird das Lenkrad grob mit der Messingbürste gereinigt, auch der Lederkranz. Der muss als Schnittmuster für den Autosattler auch erhalten bleiben und wird dick mit Krepp-/Panzertapeband umwickelt. Jetzt komplet zerlegen und die Hupentaster entfernen. Nun kann das Lenkrad zum fein sandstrahlen. Hier wedren nun alle Rost-, Oxyd- und alte Farbschichten entfernt.
Nun könnte man auch alle unsichtbaren Rissen und Brüchen auf die Schliche kommen. Meins hatte zum Glück nichts davon und wird nun für den Lackierer vorbereitet. Dazu wird der Lenkradkranz erneut umwickelt, das alte Schutzband entfernt, es könnte Staub mit anhaften, der dem Lackierer das Leben schwer macht.
Nun geht´s zum Lackierer. Hierfür braucht man einen echten Profi, keinen billigen Lackduscher, denn man hat es hier mit zwei unterschiedlich zu schützenden Materialien zu tun. Wer hier mit huschipfuschi Spraylack hantiert, wird keine lange Freude daran haben. Das Teil wurde jetzt mit einem Phosphorsäurewasher grundiert und passiviert und anschließend seidenmatt 2-K Acryl lackiert. Das macht es dauerhaft korossionsresitent und der 2-K Lack ist sehr grifffest und haptisch sehr angenehm.
Nach dem Lackieren wird das Lenkrad vom Schutztape befreit und kann zum Sattler. Hierfür gibt es Fachbetriebe, da für die Aufarbeitung von Lenkrädern alle möglichen Zusatzoptionen anbieten, wie Aufpolstern, Daumengriffschalen, farbiges Leder, bunte Nähte, ...
Ich habe mich für seriennah entschieden, einzig nicht mehr für originales Glattleder, denn das passt dann nicht so recht zur übrigen Lederausstattung, ... Schaltknauf mit Schaltsack, Türgriffe, lederbezogenes Armaturenbrett, etc.. Somit habe ich mich für eine leichte Narbung entschieden ...
Während alle diese Arbeiten am laufen sind, habe ich mich um die Komplettierung des Lenkrades bemüht, es fehlte der Hupenknopf. Leider lassen sich Originalteile nicht mehr beschaffen, deshalb habe ich einen Hupenknopf vom Serienlenkrad umgearbeitet. Dieser ist dem tii-Knopf sehr ähnlich, muss nur etwas abgeschliffen werden. Die Befestigung am Edelstahlring erfolgt über Neodymmagnete, die dort eingepresst sind, am Hupenknopf selbst wird eine gelaserte und verzinkte Stahlscheibe als Gegenpol mit 2-K Kleber aufgeklebt. Damit wird der Hupenknopf ganz easy aufgeklippt, sitzt bombenfest und kann zur Lenkradmontage ganz einfach abgehoben werden.
Ein weiteres sehr großes Problem sind die Chromspangen an den Lenkradspeichen. Meine waren leider sehr pickelig und zerkratzt ...
... dafür kann sich das Ergebnis nach dem neu verchromen um so mehr sehen lassen!
Leider muss man lange suchen, bis man einen Galvaniker findet, der sich mit solchen "Lapalien" beschäftigen will, selbstredent, dass das auch was kostet und sehr viel Zeit in Anspruch nimmt. Mit einer Wartezeit von 6 bis 9 Monaten muss man leider rechnen.
So, nun kann man das Teil komplettieren, die Chromspangen anschrauben, die Hupe mit den Kontakten durchprüfen und sich an dem Ergebnis freuen!
Fazit: Nun habe ich ein tii-Lederlenkrad, dass optisch einem Neuen entspricht, technisch und von der Haltbarkeit her sogar deutlich besser ist.
Die Zeitdauer war ca. 1 Jahr der Berabeitung aufgrund der vielen Fremdvergaben. Der Kostenpunkt: Schrottlenkrad 150,-- E, Ersatzhupenknopf 80,-- E, Sandstrahlen 80,-- E, Lackieren 50,-- E (Freundschaftspreis), neu beledern ca. 300,-- E, neu verchromen ca. 45,-- E, dazu kommen natürlich noch die Versandkosten und die ganzen Eigenleistungen... Trotzdem, der Marktwert liegt jetzt bei mindestens 600,-- bis 800,-- Euro!
Für jemanden, der nur auf Neuzustand steht auf alle Fälle lohnenswert.
Hoffe, das hilft so manchem bei einer Entscheidung sich auch mal von "Patina" zu trennen und sein "Schätzchen" selbst aufzuarbeiten.
Gruß Eric